Herr Kastner gegen die Plastikflut: “Ich hab die Schnauze voll!”


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Hans-Peter Kastner, Inhaber eines großen Stuttgarter Getränkemarkts, sagt dem Plastikmüll den Kampf an. So wird Kastner, der in seinem Markt bereits komplett auf Einwegflaschen verzichtet und bisher auf Mehrweg- und Glasflaschen setzt, ab dem 1. August 2019 noch einen Schritt weitergehen: Petcycle-Flaschen werden komplett aus dem Sortiment genommen. Damit nimmt Kastner eine Vorreiterrolle ein, die ihm viel Zuspruch und mediale Aufmerksamkeit weit über die Grenzen Deutschlands zuteil werden lässt.

Über 140 Interviews hat Hans-Peter Kastner in den vergangenen Wochen gegeben. Er war zu Gast bei Stern TV, Zeitungen und Radiosender, das Heute Journal und die Tagesschau berichteten über ihn. Denn Kastner hat einen offenen Brief an seine Kunden und Nicht-Kunden geschrieben, in dem er diese auffordert, auf die Vermeidung von Verpackungsmüll zu achten, Mehrwegflaschen anstelle von Einwegflaschen zu kaufen und im Idealfall komplett auf Glasflaschen umzusteigen. Anlass dieses offenen Briefes war ein riesiger Berg an Einwegflaschen, den Kastner innerhalb weniger Wochen gesammelt hat. Denn da Kastner PET-Flaschen im Sortiment hat, ist er verpflichtet, sämtliches Plastikleergut seiner Kunden zurückzunehmen – auch Einwegflaschen, die Kastner selbst eigentlich gar nicht verkauft. Und da Einwegflaschen nicht wiederverwendet werden können, stellen sich schlichtweg Plastikmüll dar. Interessehalber sammelte der 41-Jährige die von den Kunden zurückgegebenen Einwegflaschen und -dosen und stand nach knapp drei Monaten vor einem Berg von 52 riesigen Säcken mit Plastikmüll. Danach hatte er „die Schnauze voll“, wie er erzählt. Einerseits vom Plastikmüll und andererseits davon, Entsorger für das Leergut der Discounter zu spielen, das dem Discounter den Pfand und Kastner die Kosten beschert. So schrieb der Stuttgarter sich in einem offenen Brief, den er auch auf Facebook postete, den Frust von der Seele. Die Reaktion der Kunden? „Fast durchweg positiv.“, erzählt Kastner. „Von Heiratsanträgen bis Morddrohungen war alles dabei. Aber Spaß beiseite. Dieser Brief hat etwas in Bewegung gesetzt. Allein aus Privathaushalten erreichten mich tausende von E-Mails, in denen sich die Menschen bedanken und von ihrem Umdenken erzählen, von nun an Glas- statt Plastikflaschen kaufen zu wollen. Wenn allein diese Menschen auf Plastikflaschen verzichten, dann sprechen wir von grob geschätzt 1,5 bis 2 Millionen Plastikflaschen pro Jahr, die in Deutschland weniger verbraucht würden.“, meint der engagierte Getränkehändler. Und führt weiter aus: „In Deutschland werden pro Stunde zwei Millionen Plastikflaschen produziert. Wenn jeder Deutsche pro Tag auf eine Plastikflasche verzichtet, dann wären das über 80 Millionen täglich – ein kleiner Lichtblick, da die Produktion bei knapp 50 Millionen Plastikflaschen pro Tag liegt.“

Ob sich einige seiner Kollegen im Handel ebenfalls trauen, mit Kastner gleichzuziehen, vermag er noch nicht einzuschätzen. „Die Kollegen wissen alle um die Probleme und um die Zahlen. Verständlicherweise befürchtet jeder Umsatzeinbußen. Das geht auch mir und meiner Familie so. Ich habe mich mittlerweile dazu entschieden, diese Umsatzeinbußen in Kauf zu nehmen. Dann muss ich meinen Betrieb halt irgendwann dicht machen, wenn die Einnahmen ausbleiben. Aber ich bin ein konsequenter Mensch. Ich habe mir vorgenommen, die ersten Schritte in Richtung Plastikvermeidung zu machen und dabei bleibe ich. In der guten Hoffnung, dass meine Kunden das mittragen und mir auch weiterhin treu bleiben bzw. mit mir gemeinsam umdenken. Von manch einem habe ich zu hören bekommen, dass das alles nur eine geschickte Marketing-Strategie sei. Das ist natürlich totaler Quatsch. Denn Marketing funktioniert nicht, wenn man seine Kunden angreift. Ich musste ja damit rechnen, meine Kunden durch meinen offenen Brief zu verprellen.“

Auch privat versucht Kastner seit einigen Jahren, überflüssigen Verpackungsmüll zu vermeiden. So ist die Familie beispielsweise zum traditionellen Sonntagsbraten zurückgekehrt. Sprich, einmal pro Woche gibt es Fleisch, das über den Metzger des Vertrauens bezogen wird. Auch kauft Kastner Käse, Wurst und Fleisch nur noch bei Edeka ein, da es dort möglich ist, mitgebrachte Behälter an der Frischetheke befüllen zu lassen. Die Scheinheiligkeit der anderen großen Discounter, wie Lidl oder Aldi, ärgert den Stuttgarter Getränkehändler maßlos, denn ihr Engagement in Sachen Umweltschutz findet der zweifache Familienvater „einfach nur scheinheilig“. Denn gerade die großen Discounter setzen fast ausschließlich auf Einwegflaschen, die Kastner dann anteilig zwangsläufig über seinen Betrieb entsorgen muss, wenn die Kunden diese bei ihm zurückgeben, und verlangen für Plastiktüten einen lächerlich geringen Aufschlag, der den Konsumenten garantiert nicht zur Abkehr bewegt.

Doch Kastner bleibt im Dialog und hat bereits in den vergangenen Wochen viel erreicht. So wird der regionale Getränkehersteller Streker Natursaft aus Großaspach, der aktuell noch auf Mehrweg und Glas setzt, zeitnah auf die komplette Glas-Abfüllung umsteigen. Ferner konnte Kastner zwei Hoteliers überzeugen, ganz auf Einwegwaren zu verzichten, beispielsweise bei den Frühstücksprodukten. Ein Omnibushersteller lässt in seine Busse kleine Küchen einbauen, so dass Getränke dort ausgeschenkt werden können. Einwegflaschen an Bord wird er komplett verbieten. All das sind kleine Erfolge, die die ersten Schritte auf einem langen Weg markieren. Unterstützung erhält Kastner auch von der Deutschen Umwelthilfe und vom Landesumweltminister Baden-Württembergs Franz Untersteller. Doch das Wichtigste ist sicherlich, die Verbraucher auf seine Seite zu ziehen.

„Viele reden von Nachhaltigkeit, aber die wenigsten tun etwas. Dabei ist der Verbraucher der Entscheider. Das vergisst er nur leider. Wir werden in der Welt nicht auf Plastik verzichten können. Aber wir können auf Verpackungsmüll verzichten. Und da hat es jeder Konsument selbst in der Hand, das müssen wir als Gesellschaft vorleben. Wenn niemand mehr Getränke in Plastikverpackungen kauft, werden auch keine mehr produziert.“, prophezeit Kastner. Und führt weiter aus: „Es wäre fatal, auf die Politik zu warten. Wir brauchen keine Gesetze, die irgendwann einmal in 20 Jahren in Kraft treten und dann beispielsweise anteilig den Verkauf von Einwegflaschen verbieten. Wir müssen jetzt handeln. Wenn jeder mitzieht, stellt die Gesellschaft die Regeln auf. Dann brauchen wir keine Politik und keine Gesetze, die sich des Themas Plastikmüll annehmen. Die richtige Zeit dafür ist da, denn die Menschen bekennen sich zum Umweltschutz. Sie müssen nur noch aus ihrer Komfortzone herauskommen und ihre Routine bezüglich ihres Einkaufsverhaltens ändern.“

Herzlichen Dank, lieber Herr Kastner, für dieses ausführliche Interview!

Und wer Hans-Peter Kastner auf Facebook folgen und über die weiteren Entwicklungen auf dem neuesten Stand gehalten werden möchte, kann dies unter “Getränke Lieferservice Kastner” tun. Auch die Firma Streker Natursäfte hat einen Facebook-Auftritt: W. Streker Natursaft GmbH. Und sicherlich werden zukünftig neben Herstellern und Lieferanten immer mehr Menschen den Anti-Plastikflaschen-Weg beschreiten.