„Es gibt keinen Druck, keine Bewertungen.“
Das Besondere ist für mich, dass meine Töchter jederzeit frei entscheiden können, was sie tun möchten. Sie lernen dadurch, ihre Bedürfnisse zu erkennen, ihnen zu folgen, sie auszudrücken. Und ganz wichtig: Vertrauen in ihre eigenen Entscheidungen zu haben. Es gibt keine Bewertungen und somit keinen Druck, eine bestimmte Leistung zu erbringen. Weder im Kindergarten, noch in der Schule. Besonders ist für mich auch, dass das soziale Miteinander einen hohen Stellenwert hat und dadurch neben der kognitiven Entwicklung vor allem die Entwicklung der sozialen Intelligenz unterstützt wird. Das wird auch deutlich im Umgang der Erwachsenen mit den Kindern und Jugendlichen. Er ist achtsam, auf Augenhöhe und sehr respektvoll.
Es sind vor allem die Ansätze von Maria Montessori und Rebeca und Mauricio Wild. Dabei gilt Montessoris Leitgedanke: „Hilf mir es selbst zu tun, tu es nicht für mich“. Bei R. + M. Wild ist es der nicht-direktive Ansatz, der hier stark gelebt wird. Nicht-direktiv bedeutet dabei, dass die Kinder selbst steuern, was sie gerade lernen möchten, mit wem und durch welche Methode. Die Lernrichtung wird also von den Kindern selbst vorgegeben – nicht der Bildungsplan oder ein Erwachsener entscheidet, was gerade gelernt werden soll.
Der Tag startet mit einem Morgenkreis um 8.30 Uhr, der zum Teil nach Jahrgängen aufgeteilt ist, zum Teil altergemischt stattfindet. Mittwochs gibt es eine Schulversammlung. Danach können die Kinder/Jugendlichen selbst entscheiden, was sie machen möchten. Das kann die Teilnahme an einem Angebot oder einem Ausflug sein, aber auch der Gang in die Kreativ- oder die Holzwerkstatt, die Lernateliers oder das weitläufige Außengelände. Je älter die Kinder werden, umso mehr (Kurs-) Angebote gibt es, die dann auch verpflichtend sein können, wenn sie sich für eine Teilnahme entschieden haben. Um 12.40 Uhr beginnt dann die Aufräumzeit, für die jeder Schüler einen Dienst übernommen hat, z. B. Staubsaugen oder Müll entsorgen. Um 13.05 Uhr endet die Schule, donnerstags gibt es für die Älteren ab der 5. Jahrgangsstufe Nachmittagsschule bis 15.30 Uhr (Hier könnt Ihr mehr über den Schulalltag an der FAS nachlesen.).
Das besondere Lern- und Bewegungskonzept ist die „vorbereitete Umgebung“, die angeboten wird. Neben den Räumen mit unterschiedlichen Themen ist das der große Außenbereich, der viel genutzt wird. So findet in der Regel jedes Kind das, was es braucht.
Ich glaube, dass die Umgebung grundsätzlich eine Rolle spielt. Dazu gehört für mich jedoch nicht nur die entsprechende vorbereitete Umgebung an der FAS, sondern auch die Begleitung durch die Pädagogen, die Freunde, die Eltern. „Lernen“ passiert den ganzen Tag: in der Schule, zu Hause, unterwegs… das ganze Leben. Grundsätzlich heißt Lernerfolg für mich, dass meine Töchter später mit beiden Beinen im Leben stehen und ihren Weg gehen, den Mut haben, Entscheidungen zu treffen, die sich für sie gut und richtig anfühlen, wenn sie keine Angst vor Fehlern oder vermeintlich falschen Entscheidungen haben. Meiner Meinung nach braucht es dafür eine Umgebung, in der sich die Kinder wohl und verstanden fühlen. Eine vertrauensvolle Umgebung und die entsprechende Begleitung, auch von den Eltern.
Die ‚Lehrer‘ heißen an der Schule ‚Begleiter‘ und sind per Du mit den Kindern. Sie beobachten, gehen ins Gespräch und begleiten die Kinder/Jugendlichen in ihrer Entwicklung. Das tun sie auf Augenhöhe und in einer nicht-direktiven Haltung. Sie sind in Kontakt! Daraus kann sich eine sehr vertrauensvolle Beziehung entwickeln.
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Wie wichtig sind an der FAS Ausflüge, Naturerfahrungen, AGs oder Praktika für das Lernen der Kinder?
Für meine Kinder ist dies schon immer sehr wichtig. All das bietet Abwechslung, Erfahrung, Praxis. Lernen durch „Begreifen“, „learningbydoing“. Dies bleibt in Erinnerung. Ein weiterer Punkt betrifft auch hier die gruppensoziale Komponente, die beim gemeinsamen Planen von Fahrten oder bei unseren großen und kleinen Theaterprojekten eine große Rolle spielt.
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In welcher Form konnten Deine Kinder bisher vom freien Lernen profitieren?
Meine Mädels wären nicht so wie sie jetzt sind – einfach jede für sich ganz besonders. Sie konnten oder können länger Kind sein! Sie sind immer noch voller Neugierde, haben Lust auf Neues und den Mut, etwas auszuprobieren. Sie sind voller Lebensfreude und freuen sich am Ende der Ferien auf die Schule. Wenn nur das frühe Aufstehen nicht wäre.
Mein Mann und ich haben uns intensiv vor der Einschulung unserer großen Tochter mit dem Konzept auseinandergesetzt und tun es seitdem. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dass unsere Kinder einen anderen Weg gehen sollen und es ging uns nicht darum, dass sie viel und/oder genug lernen, sondern das für sie Richtige. Und dass sie die Freude am Lernen nicht verlieren. Wir begleiten unsere Kinder mit Vertrauen auf ihrem Weg und hatten daher auch bislang keine Bedenken.
Wie reagiert Euer soziales oder weiteres Umfeld auf das Thema freies Lernen/freie Schule?
Im Großen und Ganzen würde ich sagen interessiert, aber eben auch skeptisch, ob so etwas funktioniert. Ich habe mich dadurch nie beeinflussen oder verunsichern lassen. Diese Klarheit braucht es, um den eigenen Kindern die Sicherheit zu geben, dass ich als Mutter Vertrauen in diesen Weg habe.
Vertrauen in meine Kinder zu haben, sie ernst zu nehmen in ihren Bedürfnissen, ihnen nicht meine Wünsche überzustülpen, loszulassen. Das ist nicht immer einfach. Mich über die Entwicklung und alle Lernerfolge zu freuen und diese nicht auf Lesen und Schreiben und Mathe zu reduzieren.
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Was waren Eure schönsten (Erfolgs-)Erlebnisse an der FAS?
Ich finde jedes Fest an der FAS ist ein tolles Erlebnis. Es ist einfach eine wunderbare Atmosphäre dort auf der „Hohen Eiche“. Die schönsten Erlebnisse sind für mich, wenn meine Töchter mit leuchtenden Augen von ihren Lernerfolgen berichten, wenn sie selbstgestellte Herausforderungen gemeistert haben und daran gewachsen sind. Und das kann eben auch der Handstand sein oder die selbst organisierte Fahrradtour nach Frankreich.
Ganz herzlichen Dank für dieses interessante Interview, liebe Tina. Wer mehr über die FAS erfahren möchte, kann sich hier informieren.