Nesteldecken für Demenzkranke
Seit 2022 näht Carmen Traub gemeinsam mit weiteren Ehrenamtlichen in der Göppinger Villa Butz spezielle Nesteldecken für Demenzkranke. Die Decken bestehen aus unterschiedlichen Materialien und sind mit verschiedenen Elementen versehen, um Betroffenen eine sensorische Anregung zu bieten und unruhige Hände gezielt zu beschäftigen.
Nesteldecken sind speziell gestaltete Decken, die für Menschen mit Demenz entwickelt wurden. Diese Decken können unruhigen Händen eine sinnvolle Beschäftigung bieten, die beruhigend wirkt und das Wohlbefinden steigert. Besonders bei fortschreitender Demenz kann das Nesteln und Erkunden der verschiedenen Strukturen helfen, Ängste zu reduzieren und Erinnerungen an vertraute Bewegungen oder Tätigkeiten zu wecken. So enthalten die Decken verschiedene Materialien, Farben und kleine Elemente wie Knöpfe, Reißverschlüsse, Bänder oder Taschen, die zum Fühlen, Greifen und Spielen anregen – ähnlich wie Babydecken oder Fühlbücher für Kleinkinder. Hierzu erzählt Carmen Traub: „Die Rückmeldung der Empfänger ist oft, dass sie die Decken ’superschön‘ und ‚liebevoll genäht‘ finden und dass sie tatsächlich beruhigend wirken. Ein Mann sagte einmal, seine Frau habe sich immer die Kleider kaputt gemacht. Jetzt würde sie ihre Hände mit der Decke beschäftigen.“ Die Kreativgruppe um Carmen Traub trifft sich alle zwei Monate in der Villa Butz/Haus der Familie e.V. in Göppingen, um gemeinsam zu nähen. Falls eine Decke nicht fertig wird, nehmen die Ehrenamtlichen sie mit nach Hause, um sie dort zu vollenden. Die fertigen Nesteldecken werden im Anschluss daran kostenlos an Betroffene und Angehörige weitergegeben, unter anderem über das Demenz-Netzwerk Eislingen. Bei jedem Treffen entstehen etwa vier bis fünf neue Decken, die mit viel Liebe zum Detail gefertigt werden und Betroffene unterstützen sollen.
Doch warum kann die Beschäftigung der Hände für Demenzkranke eine beruhigende und sinnvolle Aktivität sein? Viele Betroffene haben einen natürlichen Drang zu nesteln und zu greifen. Nesteldecken, Stoffbälle oder einfache Alltagsgegenstände helfen dabei, diesen Bewegungsdrang gezielt zu nutzen und für den an Demenz Erkrankten eine positive Kanalisierung zu erzielen. Beispielsweise kann das Fühlen verschiedener Materialien Ängste und innere Unruhe verringern. Auch empfinden Menschen mit Demenz oft eine gewisse Unsicherheit, und das Greifen oder Streichen über vertraute Strukturen kann ein Gefühl der Sicherheit geben. Ebenfalls dienen die Nesteldecken der Gedächtnisaktivierung, denn durch bekannte Bewegungen, wie das Öffnen eines Reißverschlusses oder das Binden eines Bandes, werden Erinnerungen an die einst besser funktionierende Motorik und an Bewegungsabläufe angeregt. Manche an Demenz erkrankte Menschen erinnern sich so an Tätigkeiten aus ihrem Alltag, was positive Emotionen auslösen kann. Ferner fördern Nesteldecken die Feinmotorik und das regelmäßige Hantieren mit verschiedenen Objekten hält die Finger beweglich und kann dabei helfen, den Verlust der Geschicklichkeit zu verlangsamen. Ein weiterer positiver Aspekt ist das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Denn selbst wenn die kognitiven Fähigkeiten nachlassen, kann es für Betroffene wichtig sein, sich aktiv und eingebunden, ‚beschäftigt‘ zu fühlen. Das Erkunden und Greifen sorgt für ebendiese Beschäftigung, die entspannend und vertraut wirkt. „In einem Altenheim habe ich einmal beobachtet, wie eine Frau gleich eine der mitgebrachten Decken genommen und sich, solange ich da war, damit beschäftigt hat. Sie hat sich die Decke auf die Schulter gelegt und ein Kuscheltier, das drauf genäht war, ausgiebig gestreichelt“, erzählt Carmen Traub.
Wer zu der Gruppe Ehrenamtlicher dazustoßen und selbst Decken anfertigen möchte oder eine Decke für einen Demenzkranken benötigt, kann sich an die Villa Butz in Göppingen wenden.
In diesem Zusammenhang möchten wir euch auch auf das besondere Projekt „Greifbares Glück“ der Dietmar Hopp-Stiftung aufmerksam machen. Die Stiftung unterstützt 100 Einrichtungen für Menschen mit Demenzerkrankung im Rhein-Neckar-Raum durch die Anschaffung einer Tovertafel. Tovertafeln werden mittels eines Beamers auf eine Tischplatte projiziert und ermöglichen den Demenzkranken, ihre kognitiven Fähigkeiten durch die übertragenen Bildaufgaben anzuregen. So können virtuell Bälle hin- und herbewegt oder Laub zusammengeschoben werden. Einige Spiele beinhalten auch Musik und durch die Berührung von Noten können eigene Melodien entstehen.