Aktionswochen gegen Rassismus


Der 21. März ist der UN-Gedenktag gegen Rassismus. In Stuttgart, sowie in vielen anderen Städten Deutschlands, finden vom 14. bis 27. März 2022 die Aktionswochen gegen Rassismus statt. Alle Veranstaltungen und Workshops sprechen dabei dieselbe Sprache: Wir sind gegen Rassismus und für eine offene Gesellschaft.

Für die Aktionswochen gegen Rassismus wurde mit der Unterstützung von über 50 Kooperationspartnern ein buntes, vielfältiges Programm zusammengestellt, welches dreigeteilt als Schul-, Fortbildungs- und Öffentlichkeitsprogramm präsentiert wird. Die Aktionswochen werden organisiert von der Partnerschaft für Demokratie Stuttgart, vom Stadtjugendring Stuttgart e. V., vom Jugend- und Kulturzentrum Forum 3 e. V., vom Forum der Kulturen Stuttgart e.V. sowie vom Büro für diskriminierungskritische Arbeit Stuttgart. Alice Heisler vom Stadtjugendring Stuttgart und Houda El Medahe vom Forum der Kulturen Stuttgart e.V. koordinieren dabei als Leitungsteam der Gruppe “Internationale Wochen gegen Rassismus” (IWgR) die Öffentlichkeitsarbeit und das ansprechende Programm.

Liebe Frau Heisler, warum ist es so wichtig, dem Thema Anti-Rassismus nach wie vor einen so hohen Stellenwert einzuräumen? Leider ist es immer noch so, dass trotz aller Information und Aufklärung Menschen immer noch täglich Rassismuserfahrungen machen. Trotz der Black Lives Matter-Bewegung von 2020 wird in Medien, in der Politik oder in Schulen immer noch darüber diskutiert, ob man das N-Wort benutzen darf. Betroffene sagen seit langem klar und deutlich, dass dieser Begriff verletzend ist und nicht mehr genutzt werden soll. Das ist nur ein Beispiel von vielen weiteren.”

Das Programm der Aktionswochen bietet einerseits Vorträge, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Mahnwachen und Kulturveranstaltungen für die breite Öffentlichkeit, die an verschiedenen Örtlichkeiten in ganz Stuttgart stattfinden – beispielsweise im Forum 3, dem Theater Rampe, dem Linden-Museum, in der Stadtbücherei, dem StadtPalais oder natürlich online. Explizit für Schülerinnen und Schüler finden in den Schulen Stuttgarts zahlreiche Workshops, beispielsweise zum Thema Flucht und Migration, Hass im Netz, Rassismus im Alltag, Menschenrechte oder Post-Kolonialismus, statt. Der dritte Programmschwerpunkt widmet sich interessanten Fortbildungen und Empowerment, welche online oder in Präsenz absolviert werden können, die die Aktionswochen abrunden – Rhetorik-Schulungen gegen Fake und Hass, Tanz- und Bewegungs- und Achtsamkeitsworkshops u.v.m.

Doch warum geht Rassismus im Alltag so oft unter? Dazu Alice Heisler: “Ich denke Rassismus geht im Alltag oft unter, da manche Handlungen von den Verursacher*innen (noch) nicht als rassistisch gesehen werden. Oft sagen Menschen Dinge, die sie „nicht so gemeint haben“. Dadurch sehen sie ihr eigenes Handeln nicht als rassistisch an und reflektieren es auch nicht. Aber Rassismus ist viel tiefgreifender in unserem Alltag, in unseren Strukturen, in unserer Sprache, in Medien etc. verankert. Da müssen wir uns alle hinterfragen, unser Handeln und unsere Sprache reflektieren und diese verändern. Leider ist es außerdem auch oft so, dass Betroffene von Rassismus nach Vorfällen nicht ernst genommen werden, oder ihre Erlebnisse runtergespielt werden, „man soll sich nicht so anstellen“. Das muss sich ganz dringend ändern.”

Im Zusammenhang mit den Aktionswochen gegen Rassismus gibt es zwei inspirierende Ausstellungen: “Black is Beautiful” und “Project X”. Black is Beautiful ist ein Fotoprojekt, welches von Amina Ousman-Daouda ins Leben gerufen wurde. Sie ist Grafikdesignerin und Illustratorin aus Stuttgart und gestaltete im Rahmen ihres Projektes ein über 300-seitiges Fotobuch. Das Buch zeigt die verschiedenen schönen Facetten schwarzer Menschen und bildet insgesamt 48 BPoC (Black People of Color) aus dem Raum Stuttgart ab, die Amina selbst fotografierte. Außerdem beschäftigt sich das Buch mit den Vorstellungen der Fotografierten von Schönheit und den Erfahrungen, die sie mit Vorurteilen gemacht haben. Das Project X wurde von Jamie-Ann Nzuba Lang gegründet. Sie ist ebenfalls gebürtige Stuttgarterin und arbeitet als Tanzlehrerin und Choreografin. Die Ursprungsidee des Projektes war ein Video, das Menschen jeden Alters, jeder Herkunft und Sexualität dazu inspirieren soll, sich selbstständig über Kultur und Geschichte zu informieren. Durch viel lebhafte Bildsprache, Tanz und Ausdruck sollte es zeigen, dass es eine Bereicherung ist, in einer Stadt voller unterschiedlicher Einflüsse zu leben. Es ist wichtig zu erkennen, dass wir immer davon profitieren, wenn es auch unserem Umfeld im Alltag gut geht.

Doch was kann jeder von uns gegen täglichen Rassismus tun? Alice Heisler meint: “Wir alle, aber vor allem Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind müssen mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Ich muss aktiv werden, wenn ich rassistische Sprache oder rassistisches Handeln mitbekomme und muss diesem widersprechen. Und ganz wichtig ist es, sich immer weiterzubilden, selbst dazu zu lernen, sich selbst und die eigene Sprache zu reflektieren, und nicht beleidigt zu sein, wenn mich jemand korrigiert und auf diskriminierendes Verhalten hinweist. Es gibt mittlerweile genug Bücher, Filme und Podcasts, über die ich mich sensibilisieren und informieren kann.”

Und was erfüllt Alice Heisler besonders an Ihrer Arbeit? “Durch das Programm der Aktionswochen haben wir die Möglichkeit, sehr viele Menschen in Stuttgart zu erreichen. Das Programm umfasst fast in diesem Jahr 90 Angebote. Beispielsweise bieten wir über 30 Workshops für Schulklassen an. Besonders erfüllend ist es zu sehen, wie die Rückmeldungen von Schüler*innen oder Lehrkräften nach den Workshops ist. Ebenso toll ist es, dass durch die Empowerment-Angebote im Fortbildungsprogramm Menschen, die Rassismuserfahrungen machen, einen „Safe Space“ bekommen, in dem sie sich austauschen und stärken können. Die Rückmeldungen sind immer sehr positiv! Ein weiterer Effekt der Aktionswochen im März ist es, dass immer mehr lokale Kooperationspartner*innen am Programm mitwirken und sie die Themen auch danach in ihre Institutionen, Organisationen und Vereine mitnehmen. Auch nach den Aktionswochen wird sich mit dem Thema weiter beschäftigt und daran gearbeitet. Die Aktionswochen bieten den bundesweiten Rahmen, die übers ganze Jahr kontinuierliche Arbeit gegen Rassismus konzentriert sichtbar zu machen, Menschen für das Thema zu sensibilisieren und Betroffenen von Rassismus Räume zu schaffen, in denen sie sich gemeinsam stärken können.”

Ganz herzlichen Dank an Sie, liebe Frau Heisler, und an alle Kolleginnen und Kollegen und Mitwirkende, die die Umsetzung der Aktionswochen gegen Rassismus in Stuttgart möglich machen. Thematisch ist für jeden etwas dabei und neben interessanten Inhalten sind verschiedene Begegnungen und Vernetzungen mit tollen Menschen möglich. Denn nur gemeinsam sind wir stark gegen Ausgrenzung und Diskriminierung.