Die Raunächte
Um den Jahreswechsel herum, zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar, erleben wir die längsten Nächte des Jahres. Diese sogenannten Raunächte stehen symbolisch für die zwölf Monate des Jahres. Im Volksglauben haben die Raunächte eine mythische Bedeutung, die auch mit allerlei Aberglauben verbunden ist. So treffen sich in den zwölf heiligen Nächten die Geister sowie die Seelen von Verstorbenen zur „Wilden Jagd“ durch die Lande. Dem Aberglauben nach dürfen deshalb beispielsweise keine Wäscheleinen gespannt werden, da sich die Geister in ihnen verfangen und sich provoziert fühlen könnten. Auch sollte zwischen den Jahren keine Wäsche gewaschen bzw. aufgehängt werden, da weiße Leintücher, die zum Trocknen im Wind flattern, die Geister anlocken und von ihnen zu Leichentüchern umgewandelt werden. Ein weiterer Aberglaube: In den Raunächten sollen die Tiere sprechen können, Orakel die Zukunft vorhersagen oder unverheiratete Frauen um Mitternacht an einem Kreuzweg ihren zukünftigen Bräutigam treffen. Der Glaube, dass mit dem Silvesterfeuerwerk die bösen Geister vertrieben werden oder dass wir mittels Bleigießen die Zukunft voraussagen können, hat sich hingegen zu einer allgemeinen, gern zelebrierten Tradition entwickelt.
Doch welche Energien können wir im Alltag aus den Raunächten ziehen? Neben dem Bleigießen und dem Silvesterfeuerwerk haben viele Menschen kleine Rituale übernommen, die mit Loslassen und Reinigung zu tun haben. Beispielsweise räumen wir die Zimmer auf, sichten, sortieren, spenden und verschenken. Dabei geht es nicht darum, auszumisten oder zu entrümpeln (das soll dem Aberglauben nach sogar Unglück bringen), sondern vielmehr darum, die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes „in die Hand zu nehmen“. Ferner gefällt vielen Menschen der Brauch, im Haus zu räuchern, denn schließlich leitet sich das Wort Raunacht genau von diesem Ritual ab. Empfehlenswert ist dafür Weihrauch, wem das zu intensiv ist, der verwende alternativ Kampfer oder Salbei. Zudem lässt sich in der Zeit der Raunächte Rückschau halten: Was war gut in diesem Jahr, was war weniger gut? Welche Angelegenheiten sind offen und müssen zeitnah geklärt werden? Denn möglichst wenige Altlasten sollen mit hinüber ins neue Jahr genommen werden. Was möchte ich im neuen Jahr verwirklichen und umsetzen? Was will ich erreichen, was will ich weiter loslassen? Was schenkt mir Energie, was raubt mir Kraft? Was ist meine Vision für das neue Jahr?
Jeder der zwölf Monate im Jahreslauf ist dabei einer eigenen Thematik untergeordnet. So steht der Januar für das Grundsätzliche, die Basis, die Wurzeln; der Februar für die Verbindung mit der inneren Stimme und das innere Selbst; der März für die Herzöffnung; der April für die Transformation und den Neubeginn; der Mai für Freundschaft und Selbstliebe; der Juni für Bereinigung und Loslassen; der Juli für die Vorbereitung auf das neue Jahr; der August für Neubeginn; der September für Licht, Segen und die innere Mitte; der Oktober für Visionen und Verbindungen mit dem Göttlichen, der November für Loslassen, Abschied und Tod; der Dezember für Aufbruch, Expansion und Weisheit. In diesem Monat steht vor allem die Frage im Vordergrund: Was belastet mich noch? Was möchte ich bereinigen? Lebe ich meine Potenziale? Bin ich ein Wegweiser für andere? Die wohl wichtigste Nacht ist die letzte der zwölf Raunächte am 6. Januar. Ein schönes Ritual an diesem Tag ist es, alles Negative aufzuschreiben, es positiv umzuformulieren und den Zettel mit den negativen Aspekten zu verbrennen. Die positiv umformulierten Aspekte sollen als innere Anleitung für ein positives Denken im neuen Jahr stehen. So liegt im Ende ein Neuanfang und eine Kraftquelle für das neue Jahr.