Wählen mit 16? Na klar!


Nach den Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen unseres Grundgesetzes, finden am 9. Juni 2024 die Europawahl und in verschiedenen Bundesländern die Kommunalwahlen statt – so auch in Baden-Württemberg. Erstmals ist die Wahlberechtigung auf das Alter von 16 Jahren gesenkt worden. Durch ihre Stimmabgabe können so bereits junge Erstwähler Einfluss auf das politische Geschehen “im Ländle” nehmen. Doch welche Kriterien müssen erfüllt werden, um wählen zu dürfen? Und warum ist es auch für junge Wahlberechtigte wichtig, ihre Stimme abzugeben?

Junge Wähler bringen frische Perspektiven und Ideen ein, die für die Entwicklung von Gesellschaften unerlässlich sind. Das Wählen als Verantwortung in einer Demokratie ermöglicht schon Erstwählern, aktiv an der Gestaltung ihrer Zukunft teilzunehmen und sicherzustellen, dass ihre Stimmen und Interessen im politischen Prozess vertreten sind. Durch die Teilnahme an Wahlen nehmen junge Menschen Einfluss auf Entscheidungen, die Bildung, Arbeitsmarkt, Umweltschutz und viele andere Lebensbereiche betreffen und tragen so zur Stabilität unserer Demokratie entscheidend bei. Die Wahlteilnahme ist also nicht nur ein Recht, sondern in gewissem Sinne auch eine “freiwillige Bürgerpflicht”, die zur Erhaltung und Verbesserung des demokratischen Systems beiträgt. Nur so vermag dieses lebendig zu bleiben und sich weiterzuentwickeln, um den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden.

Doch welche Voraussetzungen müssen junge Wahlberechtigte erfüllen, um ihre Stimme bei der Kommunalwahl abgeben zu dürfen? Wahlberechtigt sind alle Deutschen, EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürger, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, seit mindestens drei Monaten in ihrer jeweiligen Stadt ihren Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, im Wählerverzeichnis ihrer Gemeinde geführt werden und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Erstmals dürfen bei den Kommunalwahlen 2024 auch Wohnungslose mit gewöhnlichem Aufenthalt in einer Kommune in Baden-Württemberg an der Wahl teilnehmen. Zudem sind Menschen mit Vollbetreuung nicht länger von der Wahl ausgeschlossen. Auf der Webseite des Stadtjugendrings Stuttgart finden junge Erstwähler verständlich aufbereitet weiterführende Informationen zum Thema Wahlrecht und Kommunalwahl. Ebenso lohnt sich ein Blick auf die Webseite der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.

Im Rahmen des 75-jährigen Bestehens unseres Grundgesetzes sowie der anstehenden Kommunalwahlen und der Europawahl haben wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus Baden-Württemberg zu ihren Gedanken rund um die Themen Demokratie, Wahlen und Grundgesetz befragt:

Oberbürgermeister Peter Boch (Pforzheim): “Durch Wahlbeteiligung aktiv die politische Zukunft gestalten bedeutet, Verantwortung für unsere Gemeinschaft zu übernehmen. Jede Stimme zählt und trägt dazu bei, die Vielfalt der Meinungen und Interessen in unserer Gesellschaft zu berücksichtigen. Indem wir unser Wahlrecht wahrnehmen, stärken wir unsere Demokratie und bestimmen die Richtung mit, in die sich unsere Gesellschaft entwickelt.”

Bürgermeisterin Veronika Franco Olias (Sulzbach an der Murr): “Am 9. Juni haben wir die Möglichkeit, die Zukunft unseres Landes mitzugestalten. Europa geht uns alle an, denn viele politische Entscheidungen, die auch für uns in Deutschland verbindlich sind, fallen in den europäischen Gremien. Gleichzeitig geht es bei der Kommunalwahl konkret um die Zukunft unserer Gemeinde, des Landkreises sowie der Region, also um die Entwicklungen direkt vor Ort. Wer nicht wählt, verzichtet auf das wichtigste Recht in unserem demokratischen Staatswesen. Ihre Stimme kann den Unterschied machen und trägt dazu bei, die Vielfalt in unserem Land auch in unseren politischen Gremien widerzuspiegeln.”

Bürgermeisterin Birgit Hannemann (Weinsberg): “75 Jahre Grundgesetz, das sind 75 Jahre Freiheit, 75 Jahre Demokratie und 75 Jahre Menschenrechte. Das sind 75 Jahre auf die wir stolz sein können. Aber, es muss uns auch klar sein, dass die alte Dame – unsere Verfassung – jung und lebendig gehalten werden muss. Und da ist jede und jeder einzelne von uns gefragt. Einstehen für Menschenrechte, einstehen für Freiheit und Demokratie leben. Das müssen wir alle – das kann unser Grundgesetzt nicht allein. Denn, wie heißt es so schön: „Papier ist geduldig“. Deshalb nicht vergessen: am 9. Juni können wir alle unseren Beitrag zur Demokratie leisten und wählen gehen für Europa, Kreis und Stadt.”

Oberbürgermeister Martin Horn (Freiburg): “75 Jahre Grundgesetz. Das bedeutet 75 Jahre Demokratie, Freiheit und Menschenwürde. Schützen wir all das, nichts davon ist selbstverständlich! Ein Blick in andere Länder zeigt, wie wenig selbstverständlich unsere Freiheiten sind: In vielen anderen Ländern sind Diktaturen und Autokratien auf dem Vormarsch – persönliche Freiheiten werden dort eingeschränkt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns alle für unsere Demokratie stark machen! Wie? Zum Beispiel, indem wir wählen gehen. Am 9. Juni sind Europa- und Gemeinderatswahlen.”

Bürgermeister Eberhard Keller (Ebersbach an der Fils): “Mit dem 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes blicken wir gleichzeitig auf eine der längsten Phasen von Frieden und Stabilität zumindest in Mitteleuropa. Das Grundgesetz legt den Grundstein zu einer stabilen freiheitlich-demokratischen Grundordnung, erstmalig in der Deutschen Geschichte. Demokratie lebt von Partizipation: Deswegen ist es wichtig, dass sich möglichst alle aktiv mit einbringen. Die Möglichkeit, ab 16 wählen zu können, ist dafür ein ganz wichtiger Baustein. Demokratie, sich Einbringen ist aber auch Arbeit. Es gilt, mit Argumenten Mehrheiten zu gewinnen und eine möglichst breite Zustimmung und Unterstützung zur Umsetzung der Beschlüsse zu erlangen. Das braucht seine Zeit und die Akteure müssen dazu bereit sein, die notwendige Geduld, Hartnäckigkeit aufzubringen und Rückschläge in Kauf zu nehmen. Aber nur so kann gemeinsam etwas dauerhaft verändert werden. Demokratie ist kein Rosinenpicken. Es braucht die Bereitschaft, auch unangenehme Themen anzugehen. Und Demokratie braucht fairen Diskurs: Wir alle müssen uns entschieden dagegen wenden, dass Verächtlichmachung und Delegetimierung weiter zunehmen. Dahinter verbergen sich der Mangel an Konzepten und die Ablehnung eines gleichberechtigten Mitwirkens an der Gemeinschaft. Wir alle sind aufgerufen, unsere freiheitliche Demokratie zu verteidigen, die das Grundgesetz vor 75 Jahren begründet hat. Am 9. Juni stehen die Wahlen zum Europäischen Parlament, zur Regionalversammlung, zu den Gemeinderäten und Kreistagen statt. Diese Wahlen sind die wichtigsten überhaupt, da auf diesen Ebenen die wichtigsten Entscheidungen für unsere Zukunft getroffen werden. Eine breite Beteiligung, gerade auch der jüngeren Generation, ist dabei besonders wichtig.”

Oberbürgermeister Matthias Klopfer (Esslingen am Neckar): “Freie und demokratische Wahlen sind ein zentraler Bestandteil unseres Grundgesetzes. Sie bilden das Fundament unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und sind seit 75 Jahren ein wesentlicher Garant für Frieden und Wohlstand in Deutschland. In einer Zeit, in der demokratische Werte weltweit unter Druck stehen, ist es wichtiger denn je, die Bedeutung unseres Grundgesetzes zu erkennen und es täglich zu verteidigen. Es schützt unsere Rechte und Freiheiten, bietet einen Rahmen für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben und ist ein Bollwerk gegen Extremismus und Populismus. Die jüngsten Ereignisse wie Angriffe auf Politikerinnen und Politiker sowie die zunehmende Verbreitung von Hass, Hetze und Lügen im digitalen Raum sind bedrohliche Entwicklungen, denen wir entschlossen entgegentreten müssen. Unser Grundgesetz gibt uns die Mittel, um diese Angriffe abzuwehren und unsere Demokratie zu schützen. Es erfordert jedoch auch aktives Engagement von uns allen: Wir sind aufgerufen, die Werte unserer Verfassung zu verteidigen, denn auch nach 75 Jahren sind diese nicht selbstverständlich. Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten und Populisten unsere demokratische Kultur untergraben. Stattdessen müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Demokratie stark und widerstandsfähig bleibt. Gehen Sie am 9. Juni zur Wahl und nutzen Sie Ihre durch das Grundgesetz garantierten Rechte.”

Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper (Stuttgart): “Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom Präsidenten des Parlamentarischen Rates und späteren Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer verkündet. Am 24. Mai 1949 trat es in Kraft. Dies war die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland. Die Farben Schwarz-Rot-Gold sind in der jahrhundertealten Tradition der Aufklärung große und gute Farben. Sie sind Farben der Republik, des Rechtsstaats und der Freiheit. Sie sind Farben, unter denen wir uns alle versammeln können – auch um friedlich und vielleicht auch mit unterschiedlichen Positionen über die Zukunft Deutschlands und Europas zu streiten. Und die Farben Schwarz-Rot-Gold sind auch keine ausgrenzenden Farben, sie sind verbindende Farben, die Farben aller Deutschen, die Farben der Alteingesessenen und Neuhinzugekommenen, der Altbürger und der Neubürger, die Farben aller, die sich zu unseren gemeinsamen Werten bekennen. Entscheidend ist nicht die Herkunft, entscheidend ist die Haltung.”

 

Übrigens dürfen junge Menschen ab 16 Jahren nicht nur an der Kommunalwahl ihre Stimme abgeben, sondern sich auch an der Europawahl beteiligen. Also ran an die Stimmzettel, liebe Erstwähler! Denn eure Stimme stärkt die Demokratie und fördert eine Politik, die eure Interessen und die Interessen kommender Generationen berücksichtigt.