
Trump/Clinton – “Eine Wahl zwischen Pest und Cholera.”
Im Januar wird Donald Trump als neuer Präsident der USA vereidigt. Für viele Europäer ist diese Tatsache immer noch ein Schock. Mama im Ländle hat eine deutsche Familie interviewt, die seit sechs Jahren in Texas lebt, und vom Trump´schen Wahlerfolg ebenfalls überrascht wurde. Und Amerika als Lebensmittelpunkt deshalb nicht weniger schätzt.
Liebe Jessica, lieber Nils, Ihr habt in Singapur gelebt und seid nun in den USA glücklich. Wo lebt Ihr genau und vermisst Ihr Deutschland?
Wir leben seit sechs Jahren mit unseren vier Kindern in San Antonio, Texas. Wir waren beide bereits nach dem Abitur für ein bzw. zwei Jahre in Amerika und haben die USA schon früh kennen und lieben gelernt. Natürlich war uns klar, dass es schon ein Kulturunterschied sein würde, komplett in Amerika zu leben und nicht nur für einen Urlaub oder eine begrenzte Zeit als Au Pair hierher zu kommen.
Als wir noch in Singapur wohnten, hatten wir doch einige Vorurteile gegenüber Texas. Ein bisschen so, wie manche Deutsche Vorurteile gegen Bayern haben. Ähnlich ländlich und traditionell hatten wir uns Texas auch vorgestellt. Aber Freunde in Singapur, die aus Texas kamen, haben diese Vorurteile relativ schnell abgebaut. Als dann für Nils ein Jobangebot aus Texas kam, waren wir ziemlich rasch entschieden, dort leben zu wollen. Damals hätten wir nicht gedacht, so lange in den USA zu bleiben. Und heute wollen wir gar nicht mehr weg.
Welche Vorteile seht Ihr in Eurem Familienleben in Texas und was schätzt Ihr an den Amerikanern besonders?
Vieles ist in den USA einfacher. Vor allem als große Familie mit vier Kindern. Hier gibt niemand komische Kommentare von sich oder ist geschockt, wenn man als große Familie irgendwo auftaucht. In Deutschland gibt es da öfter mal einen dummen Spruch. Die Amerikaner sind generell sehr kinderfreundlich und alles ist kindgerecht ausgerichtet – die Schulbildung, jeder Restaurant- oder Hotelbesuch, jeder Arzttermin. Eltern wird überall viel Verständnis und Respekt entgegengebracht, auch wenn die Kinder mal knatschig sind oder weinen. Ich habe hier viel eher das Gefühl, dass meine Sorgen und Probleme als Mutter ernst genommen werden. Außerdem ist das Leben mit vier Kindern in den USA viel günstiger, als in Deutschland. Wir bekommen zwar kein Kindergeld, aber Kleidung und Schulsachen sind generell erschwinglicher und auch die Lebenshaltungskosten sind geringer.
Aus unserer Sicht sind die Amerikaner stets sehr nett, sei es der Nachbar, der Arzt, die Kassiererin im Supermarkt, die Lehrer in der Schule. Alle sind freundlich und tun ihr Bestes, um dem Anderen zu helfen. Ferner können wir unsere Religion hier sehr selbstverständlich leben, da die Amerikaner generell, und vor allem die Menschen in Texas, viel christlicher eingestellt sind und nicht so viele Vorurteile pflegen, wie die Deutschen.
Amerika hat einen neuen Präsidenten gewählt. Kam das Ergebnis dieser Wahl für Euch überraschend?
Wir haben bis spät abends mit unseren Kindern die Wahlen verfolgt und konnten es bis zum Ende nicht glauben, dass Trump gewinnen würde. Als irgendwann klar war, dass Clinton keine Chance mehr hat, Trump einzuholen, war das ein kleiner Schock. Auch jetzt können wir es uns nicht wirklich vorstellen, wie es mit Trump als Präsident werden wird.
Wie denken Eure Freunde und Nachbarn über die Wahl? Was erwarten sie von Trump?
Die meisten unserer Freunde und Nachbarn haben Clinton gewählt. Auch unsere Ortsgemeinde ist demokratisch geprägt, was man von Texas im Allgemeinen natürlich weniger behaupten kann. Die Trump-Wähler, die ich kenne, haben ihm ihre Stimme weniger aus Sympathie gegeben, sondern weil sie eine absolute Antipathie gegenüber Hillary Clinton hegen. Diese Wähler fühlen sich von Washington D.C. einerseits bevormundet und andererseits im Stich gelassen. Für viele Amerikaner war die Wahl Clinton/Trump eine Wahl zwischen Pest und Cholera.
Welche Chancen und Risiken seht Ihr in Bezug auf die neue Regierung?
Das ist schwer abschätzbar. Wahrscheinlich wird Trump versuchen, Steuern zu senken, was uns natürlich zu Gute kommen würde. Aber da hört es mit dem Positiven auch schon auf. Trump als Person ist unberechenbar und er hat bis jetzt keine konkreten Pläne vorgelegt. Sorgen machen wir uns vor allen Dingen um die generelle Stimmung, die er durch seinen Wahlkampf geschaffen hat. Auch sind wir gespannt, was außenpolitisch passieren wird. Trotz all dieser negativen Punkte schätzen wir die USA als Lebensmittelpunkt für unsere Familie.
Glaubt Ihr, dass sich Euer Leben und Arbeiten in den USA unter der Trump-Regierung verändern wird, beispielweise Eure Bemühungen, eine Green Card zu erhalten?
Trump hat in der Vergangenheit schon versucht, Visavorschriften in die Diskussion zu bringen und zu verschärfen, hat dann aber recht schnell einen Rückzieher gemacht. Wir sollten bis Ende des Jahres unsere Green Cards erhalten, deshalb müssen wir uns bezüglich dieses Themas hoffentlich keine Gedanken mehr machen. Trump geht es angeblich um die illegalen Einwanderer, die gerade in Texas wirklich ein Problem sind. Aber Trumps Herangehensweise an das Thema Einwanderung ist definitiv falsch.
Werdet Ihr irgendwann einmal nach Deutschland zurückkehren oder fühlt Ihr Euch in den USA glücklich und heimisch?
Wir reden hin und wieder darüber, aber die Wahrscheinlichkeit wird immer geringer. Für unsere Kinder ist San Antonio ihr Zuhause. Es ist die längste Zeit, die wir als Familie zusammen irgendwo gelebt haben. Unser Ältester geht jetzt in die High School, unser Zweiter in die Middle School, der Dritte ist in der Grundschule und unsere Jüngste geht in die Preschool. Unser ältester Sohn ist das einzige von unseren Kindern, das Erfahrungen mit einer deutschen Schule gemacht hat und zwei Jahre lang die German European School in Singapur besuchte. Unser Dritter war 6 Wochen alt, als wir nach Singapur gezogen sind und ist in Texas eingeschult worden. Unsere Jüngste ist in San Antonio geboren.
Wir vermissen natürlich unsere Freunde, aber wir fliegen regelmäßig für mehrere Wochen nach Deutschland oder bekommen von dort Besuch, von daher ist es so ganz gut machbar. Mein Vater hat mal treffend gesagt, dass wir uns in Deutschland vielleicht auch nicht unbedingt öfter sehen würden, wenn wir dort einige hundert Kilometer auseinander wohnen würden. Vor zwei Jahren ist mein Bruder mit Frau und Kind nach Kalifornien gezogen, dadurch sind wir einem Teil Familie wieder erheblich näher, und können uns öfter sehen, was toll ist. Erst einmal ist also keine Rückkehr nach Deutschland geplant.