Schloss Grafeneck – Ein Ausflug für Jugendliche und Erwachsene


Ein besonders eindrucksvoller Ort, der allerdings kein klassisches Ausflugsziel mit jüngeren Kindern ist, ist das Schloss Grafeneck in Gomadingen (Landkreis Reutlingen).

Das Schloss Grafeneck wurde um 1200 als Burg gebaut und wich 1556 einem Jagdschloss im Renaissancestil. Seit 1928 war es ein Heim für behinderte Menschen, wurde jedoch im Jahr 1939 von den Nationalsozialisten für “Zwecke des Reichs” beschlagnahmt und zum Tötungsort “lebensunwerten Lebens” umfunktioniert. Im Jahr 1940 wurden mindestens 10.654 behinderte Kinder, Frauen und Männer durch Gas ermordet und ihre Leichen verbrannt. Schloss Grafeneck wird somit zur ersten Vernichtungsstätte auf deutschem Boden – Hier nahmen der Holocaust und das geplante Töten von Menschen seinen Anfang.

Vom Leid dieser Menschen wird in einem kleinen Dokumentationszentrum berichtet. Besonders eindrucksvoll sind dabei die über 2.000 vom Künstler Jochen Meyder individuell modellierten Terracotta-Figuren, die die kaum vorstellbare Anzahl der Schicksale psychisch kranker oder behinderter Menschen erahnen lassen, die auf Schloss Grafeneck ermordet wurden (10.654 Figuren sollen es einmal werden). Gegen eine Spende in freiwilliger Höhe können Figuren (inklusive Sockel zum Aufstellen) erworben werden. Wir haben drei der Figuren mit nach Hause genommen. Seit dem Jahr 1946 wohnen übrigens wieder behinderte Menschen auf dem Gelände von Schloss Grafeneck, seit den 1950er Jahren wurde das Schloss Stück für Stück zu einer Gedenkstätte umgewandelt. Das Dokumentationszentrum liegt eingebettet in die Räumlichkeiten des heutigen Behindertenheims und vor den Türen des eigentlichen Schloss Grafenecks, in dem sich ein schönes Café befindet, sowie weitere Heimbewohner untergebracht sind (Im Dritten Reich war das Schloss durch die SS besetzt).

Neben dem Dokumentationszentrum kann auch ein kleiner Friedhof begangen werden. Hier gibt es unter anderem das “Buch der tausend Namen” zu sehen. Über 8.000 Menschen, die vorrangig im Jahr 1940 auf Schloss Grafeneck vergast wurden, finden hier namentlich Erwähnung. Bis heute werden die letzten fehlenden Namen zusammengetragen. Ein Besuch auf Schloss Grafeneck ist kein klassischer Familienausflug und dennoch für Familien mit jugendlichen Kindern, die in der Schule den Holocaust durchnehmen, interessant. Anders als in manchem Museum oder in den Gedenkräumlichkeiten der Konzentrationslager, verzichtet die Ausstellung im Dokumentationszentrum auf deutliche, grauenhafte Bilder. Jährlich zählt die Ausstellung übrigens knapp 20.000 Besucher. Die Gedenkstätte Grafeneck ist ganzjährig von 9 bis 18 Uhr geöffnet. In diesem Zeitungsbericht könnt Ihr mehr über die Terracotta-Figuren von Jochen Meyder erfahren.