Die Kugelmühle in Neidlingen


Einen kleinen aber feinen Familienausflug machten wir unlängst nach Neidlingen zur dortigen Kugelmühle mit angrenzender Kugelmanufaktur. Jura-Marmor der Schwäbischen Alb und Muschelkalk (beispielsweise aus Heimsheim oder Marbach am Neckar) wird hier mit Wasserkraft zu Kugeln und Murmeln gerollt. Jede Kugel ist dabei einzigartig und hat ihr unverwechselbares Muster und ihre eigene Farbe.

Als wir in der Kugelmühle ankommen, hat gerade eine Führung begonnen, aber wir dürfen ganz unkompliziert dazu stoßen. Kugelmüller Stefan Metzler erzählt uns alles über Jura-Marmor, Muschelkalk und andere Gesteinsarten, ihre Beschaffenheit und ihr Vorkommen. Dann weiht er uns in das Handwerk der Kugelherstellung ein, wobei die Mühle in Neidlingen eine der letzten produzierenden Kugelmühlen in Deutschland ist. Hier entstehen Kugeln, in denen sich die Schönheit und Vielfalt des heimischen Gesteins offenbart. Aus großen Steinbrocken werden mittels eines mit Diamanten besetzten Bohrers Zylinder geschnitten. Diese Zylinder werden zugeschnitten und geschliffen, bis grob gerundete, steinerne Kugel-Rohlinge entstehen. Die Rohlinge werden zwischen einen Mühlstein mit eingehauenen Rillen und ein hölzernes Mühlrad gelegt (Mühlstein und Mühlrad bilden die Kugelmühle). Die Kugelmühle wird in einer Wasserrinne montiert. Strömt Wasser auf das Mühlrad, werden die in den Rillen des Mühlsteins liegenden Rohlinge durch die Rotation des Mühlrads im Kreis gedreht und drehen sich zusätzlich noch um sich selbst, bis sie kugelrund glattgeschliffen sind. Fast 24 Stunden dauert dieser Vorgang, wie uns der Kugelmüller erklärt. Dabei ist die Produktionsgeschwindigkeit der Neidlinger Kugelmühle ziemlich hoch – die meisten anderen Mühlen produzieren deutlich länger.

Stefan Metzler hat die Grundlagen des Kugelmüller-Handwerks von einem alten Kugelmüller gelernt. Die Feinheiten hat er sich selbst beigebracht und tüfftelt auch immer wieder an seinen Maschinen, um Funktionen zu präzisieren oder Vorgänge effizienter zu gestalten. Besonders spannend sind kleine, überraschende Details, die Stefan Metzler uns während der Führung verrät: Etwa, dass der Vollmond die Mühlräder merklich bremst und dass sie im Winter sogar schneller laufen als im Sommer. Und dass die Steinkugeln, die in linksdrehenden Mühlrädern entstehen, einige Minuten schneller fertig sind, als die in rechtsdrehenden Mühlrädern. Auf die Qualität der Kugeln und Murmeln haben diese Feinheiten jedoch keinen Einfluss, versichert uns der studierte Diplom-Ingenieur. Überhaupt sind “seine” Kugeln faszinierend präzise, denn die Abweichungen liegen bei nur wenigen Hundertstelmillimetern im Durchmesser.

Erwähnt werden sollte an dieser Stelle, dass es sich bei der Neidlinger Kugelmühle um keine klassische Mühle handelt, die man als Gebäude begehen oder bei der man große Mühlräder sehen kann. Zu besichtigen sind a) der Ausstellungsraum, in dem die Führungen stattfinden und wo man Kugeln aus verschiedenem Gestein oder auch Kristallmehl aus Juramarmor (das für einen guten Kompost sorgt) erwerben kann, und b) der Bachlauf mit den Wasserrinnen und den kleinen Mühlrädern. Das empfohlene Alter, um an einer Führung teilzunehmen, liegt bei circa 12 Jahren. Stefan Metzler, der das Handwerk des Kugelmüllers nebenberuflich ausführt, gestaltet die Führungen allerdings sehr kurzweilig, so dass sie auch für jüngere Kinder interessant sind. An einer Führung durch die Kugelmanufaktur sollte man auf jeden Fall teilnehmen, da ansonsten “nur” die vier Wasserrinnen und die Mühlräder ohne Erklärungen zu besichtigen sind.

Hier gibt es einen kleinen Film über Stefan Metzler und die Kugelmühle zu sehen. Mehr Informationen zur Neidlinger Kugelmühle gibt es hier. Übrigens lässt sich ein Ausflug zur Kugelmühle auch wunderbar mit einer kleinen Wanderung verbinden, da Neidlingen inmitten schönster Landschaft gelegen ist. Ein Besuch der Burgruine Reußenstein oder des Neidlinger Wasserfalls bietet sich hier an.

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