Familienleben mit AD(H)S


Lea ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. In ihrer Wahrnehmung war ihr ältester Sohn schon als Baby etwas anders als gleichaltrige Kinder. Im Alter von 10 Jahren wurde bei Henri eine ADS-Mischform diagnostiziert. In unserem Interview erzählt Lea von ihrem persönlichen Weg bis zur Diagnose und warum es Henri mit Medikamenten besser geht.

Liebe Lea, bei Deinem ältesten Sohn, der aktuell 13 Jahre alt ist, wurde eine ADS-Mischform diagnostiziert. Zu AD(H)S hast Du früher eine ganz eigene Meinung gehabt. Wie sah diese aus?

AD(H)S war für mich immer ein hausgemachtes, sprich ein erzieherisches Problem. Wenn jemand behauptete, an dieser speziellen Verhaltensauffälligkeit bei Kindern seien primär die Eltern selbst schuld und überhaupt sei AD(H)S von der Pharmalobby erfunden, war ich eine derjenigen, die am lautesten „Stimmt, das sehe ich genauso!“ schrie. Bis ich bei meinem ältesten Sohn doch solch gravierende Verhaltensauffälligkeiten feststellte, dass ich selbst einmal anfing, in Richtung AD(H)S zu denken bzw. mich mit diesem Thema überhaupt einmal zu beschäftigen. Mittlerweile weiß ich, dass AD(H)S keine Modekrankheit, sondern eine neurobiologische Störung ist, die man allerdings behandeln kann – je nach individueller Situation mit Lerntraining, Kompensationsstrategien oder auch Medikamenten. ADS steht für übrigens für Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung.

Was genau bedeutet ADS-Mischform?

Mischform bedeutet, dass Henri weder nur hyperaktiv (ADHS) noch hypoaktiv, sondern eben beides ist. Hypoaktive Kinder sind meist sehr zurückhaltend, fallen durch ihre langsame Arbeitsweise, ihr fehlendes Ordnungsvermögen, Konzentrationsschwierigkeiten, eine ausgeprägte Phantasie und Kreativität sowie durch Stimmungsschwankungen mit der fehlenden Fähigkeit zur Gefühlskontrolle auf. ADHS-Kinder hingegen sind oft „hampelig“, motorisch unruhig und wie getrieben, wirken unaufmerksam und planlos, lassen sich leicht von irrelevanten Reizen und Gedanken ablenken, sind vergesslich was Pflichten, Verabredungen betrifft, verlieren oft Dinge und quälen sich durch Aufgaben oder Tätigkeiten, die eine längere geistige Anstrengung erfordern. Ruhehalten liegt ihnen meist fern und sie sind häufig impulsiv.

Wie hast Du Deinen Sohn wahrgenommen, als er ein Baby bzw. Kleinkind gewesen ist?

Mir ist immer schon aufgefallen, dass mein Ältester ein bisschen anders war. Schon als Baby hat er wenig geschlafen und überaus viel Körperkontakt gebraucht. Jedes Bedürfnis musste sofort erfüllt werden. Klar, das ist bei Babys im Allgemeinen so und ich habe dem keine besondere Bedeutung beigemessen. Schließlich war es auch mein erstes Kind. Das ist normal, dachte ich. Ich hab es unheimlich genossen, so viel mit meinem Sohn zu kuscheln und zu spielen, denn genau das forderte er von Beginn an ein. Auch habe ich mich gewundert, dass Säuglinge angeblich so viel schlafen. Laut anderen Müttern und Ratgebern circa 15 bis 16 Stunden innerhalb von 24 Stunden. Mein Sohn war 14 bis 15 Stunden am Tag wach. Von seiner körperlichen und geistigen Entwicklung war Henri ziemlich flott. Er hatte bereits sehr früh einen großen Wortschatz und nach Mama und Papa war sein erstes Wort Mähdrescher.

Wie verhielt sich Henri, als er in den Kindergarten kam?

Als er in den Kindergarten kam, hat er sehr schnell Freunde gefunden und im Großen und Ganzen war die Kindergartenzeit unauffällig bis auf zwei Dinge. Zum einen war da das Essen. Henri übergab sich regelmäßig im Kindergarten auf den Tisch, wenn es etwas gab, was er nicht mochte, aber trotzdem essen sollte. Zum anderen konnte ich Henri gegen Ende der Kindergartenzeit zu nichts mehr motivieren. Er verfiel in eine „Jammerphase“. Alles war langweilig, blöd, unfair, zu weit, dauerte zu lang etc. Damals machte ich mir das erste Mal Gedanken zum Thema Depression bei Kindern. Denn genauso kam mir Henri manchmal vor – wie depressiv verstimmt. Seine Emotionen schien er oft nicht im Griff zu haben, war impulsiv und unruhig und versank dann wieder in Selbstmitleid.

Hatte Henri motorische Defizite?

Henri war motorisch schon immer sehr geschickt. Bereits früh fiel auf, dass er sehr schlecht Ordnung halten konnte und auch wenig Bedürfnis nach Ordnung zu haben schien. Das Kinder keine Aufräum-Weltmeister sind, sich ablenken lassen oder kein Zeitgefühl haben, ist normal. Aber dass Henri nie Dinge zu Ende machte, sondern immer gleich zum nächsten Thema sprang und ansonsten alle Pflichten oder Dinge, die ihn nicht interessierten, auf die lange Bank schob, bzw. auch mit unserer Unterstützung keine Prioritäten setzen konnte, das wurde irgendwann auffällig. Auf der anderen Seite konnte Henri stundenlang Lego bauen (das tut er heute noch gern und ausdauernd). Bis ins kleinste Detail waren seine Modelle ausgereift und mit einer schier unerschöpflichen Ausdauer und Kreativität saß er stundenlang hochkonzentriert vor seinen Bauten. Hier haben wir ihm viel Zeit gegeben, aber es war für ihn dennoch nie genug. Dass nach dem Legobauen das Aufräumen steht, das interessierte Henri nicht bzw. endete häufig in einem Wutanfall.

Wie würdest Du Deinen Sohn charakterlich beschreiben?

Henri ist schon immer sehr willensstark gewesen. Seine ausgeprägten Zornanfälle kennen wir von klein auf bei ihm. Und dennoch ist unser Sohn sehr sensibel. Wurde er geärgert, kam Zurückschlagen für ihn nie in Frage. Er meinte dann oft zu mir: „Aber Mama, ich will doch anderen Kindern nicht weh tun.“ Zu seinen Stärken gehörte schon immer seine liebevolle und offene Art anderen gegenüber. Henri nimmt seine Umwelt sehr bewusst war, was eigentlich eine Stärke ist. Aber gerade im Zusammenhang mit Schule stellt es eine Belastung dar. Die vielen Reize überfluteten ihn und er konnte sich schlecht auf den Unterricht konzentrieren, wenn beispielsweise andere redeten, der Hausmeister im Flur etwas reparierte oder sich etwas vor dem Fenster tat.

Wie sah Henris Start ins Schulleben genau aus?

Als Henri in die Schule kam, war das Thema der Demotivation des letzten Kindergartenjahres erst mal abgehakt, da er sich riesig auf die Schule freute und völlig begeistert und motiviert war. Leider hielt diese Motivation nicht lange an. Wir waren jeden Tag ewig mit den Hausaufgaben beschäftigt. Nicht, weil er nicht verstand, was er machen musste, sondern weil er ständig abschweifte. Pipi machen, trinken, was haben wir heute noch vor, usw. Unsere Nachmittage waren gelaufen. Ich saß täglich Stunden mit ihm an den Hausaufgaben. Dann kam das Thema Mobbing in der zweiten Klasse auf und Henri litt ziemlich darunter. Er wurde nicht direkt angegriffen, aber seine Laufgruppe ließ ihn alleine laufen, er wurde nicht mehr zu Geburtstagen eingeladen, fühlte sich ausgegrenzt und oft von den anderen missverstanden. Gerade weil er so sensibel war, wurde er oft geärgert, weil die anderen natürlich wussten, dass er nicht zurückschlug. Henri hatte immer öfter Bauchweh vor der Schule und wollte nicht mehr hin. Er „vergaß“ seine Hausaufgaben zu machen oder vergaß, sie überhaupt aufzuschreiben. Jeden Mittag rief ich bei anderen Müttern an, um in Erfahrung zu bringen, was die Kinder an Hausaufgaben auf hatten, ob irgendwelche Elternbriefe verloren gegangen waren o.ä. Unser mittlerer Sohn kam in dieser Zeit  viel zu kurz, da mein gesamter Nachmittag für rumtelefonieren, Hausaufgaben, Ermahnungen und Diskussionen drauf ging. Die Grundschulzeit verlief also mit vielen Höhen und Tiefen. Die Noten in der 4. Klasse ließen zu wünschen übrig. Henris Rektorin musste aufgrund seiner Noten eine Hauptschulempfehlung aussprechen, kam aber auf mich zu und riet mir deutlich davon ab, Henri auf die Hauptschule zu schicken, da er ihrer Ansicht nach dort völlig untergehen würde.

Für welche Schule habt Ihr Euch entschieden?

Wir schickten Henri auf die Realschule. Auch dort war es nicht ganz leicht für ihn. Er hatte Konzentrationsprobleme, verlor seine Sachen, hatte Probleme mit seinen Mitschülern und fühlte sich insgesamt sehr unwohl und überfordert. Regelmäßig kam er weinend nach Hause, hatte Bauschmerzen, machte keine Hausaufgaben und wollte am liebsten gar nicht mehr in die Schule gehen. Auch mit dem Thema Einnässen hatten wir nachts zu kämpfen. Nach einigen Monaten, das war nach dem ersten Halbjahr der 5. Klasse, suchten wir die schulpsychologische Beratungsstelle auf. Denn mittlerweile äußerte Henri Sätze wie „Mama, vielleicht bin ich ja einfach zu dumm für die Schule.“ Das ist natürlich ein Stich ins Herz. Denn als Mutter kennt man die Fähigkeiten, die Begabungen und die liebenswerten Seiten seines Kindes genau und weiß, dass so viel Gutes, so viel Potenzial in ihm verborgen ist und nur darauf wartet, erkannt und geweckt zu werden. Der Satz „Mama, vielleicht bin ich ja einfach zu dumm für die Schule.“ geht mir bis heute nach.

Eine traurige, resignierte Feststellung…

… nach der mir wirklich der Geduldsfaden gerissen ist – Gott sei Dank. Vorher habe ich natürlich auch erkannt, dass Henri anders ist, dass viele Dinge nicht so selbstverständlich laufen, wie bei anderen Kindern. Aber nun war die Zeit zum Handeln gekommen. Unser Kinderarzt hatte mich schon einige Male auf AD(H)S angesprochen, ich hatte aber nichts davon wissen wollen – bis zu dem Tag, als mein Sohn diese Äußerung tätigte, er sei zu dumm für die Schule. Ich rief also in der Kinder- und Jugendpsychiatrie unseres hiesigen Krankenhauses an, um einen Termin zu vereinbaren. Sie testeten Henris Intelligenz, sowie seine Aufmerksamkeit und Konzentration (hierfür gibt es verschiedene, weltweit standardisierte Tests und Untersuchungen). Das Ganze fiel eindeutig aus: Eine ADS-Mischform. Wir haben später, um ganz sicher zu gehen, nochmals eine zweite fachliche Meinung eingeholt, die die Diagnose der ADS-Mischform allerdings bestätigte.

Welche Therapien schlugen die behandelnden Ärzte vor?

Neben Lern- und Verhaltenstherapien fiel auch das Stichwort Medikamente, dem ich mehr als kritisch gegenüber stand. Doch mein Sohn wurde hellhörig. „Mama, es gibt Medikamente. Wusstest Du das?“ Das Thema Medikamente war für mich nie eine Option gewesen und eigentlich hatte ich auch weiterhin das Gefühl, dass es ohne Chemie, die ja auch Nebenwirkungen hat, gehen muss. Mit den behandelnden Ärzten besprachen wir, dass Henri ein Drittel der regulären Dosis eines Medikaments namens Medikinet versuchsweise einnehmen sollte. Vorher ließen wir einen kompletten Check-Up mit EKG, EEG, Blutbild usw. durchführen, um zu sehen, ob dieses Medikament überhaupt ausprobiert werden konnte. Am ersten Schultag unter Medikation kam Henri strahlend und glücklich nach Hause und sagte: „Mama, heute ist das erste Mal, dass ich mitbekommen habe, um was es im Unterricht ging.“ Das hat mich unglaublich gefreut, wobei ich ganz klar sagen muss, dass Medikamente nicht das Allheilmittel für uns bzw. für jedes AD(H)S-Kind sind. Aber ein Anfang war gemacht, der sowohl Henri als auch uns Eltern plötzlich wieder zu mehr Selbstvertrauen und Lebensqualität verhalf. Medikinet gehört übrigens, ebenso wie das bekanntere Ritalin, zur Gruppe der Stimulanzien, ist allerdings glutenfrei. Medikinet kann Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schlaflosigkeit verursachen. Als Eltern hatten wir natürlich Angst, dass unser Sohn durch Medikinet ruhig gestellt wird. Allerdings klärten uns die Ärzte hier auf, dass das Medikament kein Sedativa, sondern ein Anregungsmittel ist, das eine schnelle Reizleitung zwischen den Nervenzellen gewährleistet. Henri kann sich nun viel besser konzentrieren und bei der Sache bleiben, er kann Impulse besser kontrollieren und nimmt ganz anders am Leben teil. Zur Sicherheit wird er regelmäßig untersucht, damit wir wissen, dass er wirklich keine körperlichen Nebenwirkungen hat. Interessanterweise hat Henri auch keine Probleme mehr mit dem Einnässen. Fast vom ersten Tag der Medikamentengabe hatte sich dieses Thema erledigt. Ob das im direkten Zusammenhang steht, weiß ich abschließend natürlich nicht.

Was habt Ihr sonst noch verändert?

Natürlich sind Medikamente nie die beste bzw. alleinige Lösung, sondern dienen allenfalls der Unterstützung. Uns war klar, dass wir dringend etwas an Henris schulischer Situation ändern mussten. Henri geht nun auf eine Schule, die auf AD(H)S-Kinder spezialisiert ist. Es handelt sich um das PGE, das Private Gymnasium Esslingen. Wir sind mit dieser Schule unglaublich zufrieden und Henri fühlt sich dort sehr wohl. Die Klassen sind klein mit maximal 15 Schülern. Es stehen den Kindern Mentoren sowie eine schulpsychologische und schulpädagogische Betreuung zur Verfügung. Es gibt einen Schulhund, mit dem die Kinder spielen und spazieren gehen können. Ferner werden natürlich Hausaufgabenbetreuung und betreute Freizeitaktivitäten in der Mittagspause angeboten. Auch die Kommunikation mit uns Eltern klappt hervorragend. Einmal pro Woche erhalten wir schriftliche Rückmeldungen zur Lernentwicklung etc. Bei Henri hat sich schlagartig alles geändert, als er die Schule gewechselt hatte. Plötzlich ging er gerne in die Schule, er lernt freiwillig, hat keine Bauchschmerzen mehr, schreibt tolle Noten. Und das, obwohl er ursprünglich eine Hauptschulempfehlung hatte. Er wird nicht mehr gemobbt, was für ihn natürlich wichtig ist, da er darunter sehr gelitten hat. Als ich ihm letzte Woche sagte, dass er von mir aus kein Abitur machen muss, wenn er das nicht möchte, meinte er: „Mama, ich bin doch auf dem Gymi. Natürlich mach ich mein Abi!“

Gibt es auch spezifische Angebote für Eltern, die ihr angenommen habt und wie geht es Euch momentan in Eurem Alltag?

Wir werden bald das nächste Elterntraining in Angriff nehmen, um zu Hause noch besser mit der Gesamtsituation umgehen zu können. Auch eine Familientherapie würde ich gern in Anspruch  nehmen, da viele Eltern da tolle Erfahrungen gemacht haben. Wir stehen mittlerweile alle um 4.45 Uhr auf, um um 7.10 Uhr aus dem Haus zu kommen. Wir, die Kinder und wir Eltern, brauchen diese Zeit, um den Tag nicht gleich mit Stress, Streiten und laut werden zu beginnen. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt eines langen Lernprozesses, den wir alle miteinander hatten. Wir versuchen, auf die Bedürfnisse jedes Familienmitglieds einzugehen. Und als klar war, dass Henris Schwierigkeiten keine normalen Schwierigkeiten sind, mussten wir uns diesem Thema stellen und die ganze Sache aktiv angehen. Wir waren bei verschiedenen Ärzten, haben uns eingelesen, sind zu Vorträgen gegangen, haben uns mit Betroffenen ausgetauscht. Dabei haben wir uns bemüht, auf unser Bauchgefühl zu hören und immer “wir selbst” zu bleiben. Wir haben uns vom Perfektionismus verabschiedet, der uns schlussendlich nur überfordert und unnötigen Stress verursacht hat. Wir versuchen, unseren Kindern die Zeit zu geben, die sie für ihre persönlichen Entwicklungsschritte brauchen.

Mit welchen Herausforderungen in Bezug auf Henris ADS-Mischform kämpft Ihr heute noch?

Zuhause ist die Kommunikation mit Henri manchmal schwierig. Er ist mittlerweile 13 Jahre alt, kommt also in die Pubertät. Diese Zeit ist für “normale” Jugendliche ja schon eine intensive, herausfordernde Zeit – und für die Eltern ebenfalls. Kinder mit AD(H)S durchleben oftmals die “Superpubertät”, das heißt alle Veränderungen werden viel intensiver wahrgenommen, viel stärker ausgelebt. Gefühlschaos oder die Suche nach Orientierung sind bei AD(H)S-Jugendlichen häufig noch ausgeprägter, ihre Impulsivität und ihre sensible Wahrnehmung werden in der Pubertät verstärkt. Allerdings gibt es auch positive Seiten, denn AD(H)Sler bleiben auch in der Pubertät meist neugierig, aufgeschlossen, aktiv und wissbegierig. Da ihre Gedanken oft eh schon andere Wege gehen, tun sie sich leichter damit, sich auf neue Aspekte, Wahrheiten, Lebensfragen und Aufgaben einzustellen.

Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass unser Gesellschaft und auch unser Schulsystem lernt, auf Menschen, die nicht wie alle anderen sind und die besondere Hilfestellungen benötigen, besser einzugehen. Es sollte nicht immer nur das Negative gesehen werden. Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten sind ja nicht per se anstrengend, sondern bringen neben einer häufig überdurchschnittlichen Intelligenz ganz wunderbare Eigenschaften mit, die eine Wertschätzung erfahren sollten. Ich wünsche mir auch, dass die Schulen das Thema Mobbing noch mehr thematisieren. Es ist so wichtig, den Kindern vor Ort in der Schule Rückhalt durch einen Mentor, Streitschlichter oder einen Schulberater zu geben. Allen Betroffenen möchte ich Mut machen, aktiv zu werden. Unser Weg ist steinig gewesen, aber irgendwann gab es ein Licht am Ende des Tunnels. Wir haben die richtige Schule für Henri gefunden und ich bedaure zutiefst, dass ich mich nicht schon früher auf das Thema eingelassen habe. Ich hätte Henri, und auch uns als Familie, viel ersparen können. Aber momentan halten wir es einfach wie Beppo Straßenkehrer aus Michael Endes „Momo“: „Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. … Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat.“ (Quelle: Michael Ende, “Momo”)

Liebe Lea, ganz herzlichen Dank für dieses ausführliche Interview!

Wenn Ihr persönliche Fragen an Lea habt, schreibt uns gern eine Email, wir leiten die Zuschriften vertraulich weiter. Abschließend möchten wir der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass dieses Interview nicht stellvertretend für alle von AD(H)S betroffene Familien steht, sondern den persönlichen Weg einer Familie zeigt, mit AD(H)S umzugehen.

Auf der Seite von ADHS-Deutschland gibt es viele weitere interessante Informationen und Tipps für Betroffene.